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Beim Seminar „Charismatische Führung“ hatten wir letzte Woche die sehr interessante Situation eines Teilnehmers aufzuarbeiten: einer seiner Mitarbeiter, der normalerweise zu den Top-Leistungsträgern im Team gehört, war seit einiger Zeit in einer schwierigen, persönlichen Situation und seine Leistung fiel dadurch abrupt ab, nämlich auf 1/10 des normalen Wertes. Die Führungskraft wollte daher das Gespräch suchen, mit dem Ziel, die ursprüngliche Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters wieder „herzustellen“.

Beim Schildern dieser Situation zeigte die Führungskraft einerseits Besorgnis im Hinblick auf den emotionalen Zustand seines Mitarbeiters und Wertschätzung für diesen, andererseits aber auch einen  klaren Blick auf seine Ziele.

Beim Durchspielen des potentiellen Gesprächs war von der Besorgnis und Wertschätzung nichts mehr zu spüren, die Zielerreichung stand plötzlich allein im Vordergrund.

Wir spielten die Situation noch einmal mit zwei weiteren Kandidaten und vertauschten Rollen durch und es wurde für den Seminarteilnehmer deutlich, wie massiv unter Druck gesetzt und nicht „abgeholt“ er sich fühlte und wie stark die innere Abwehr wuchs. Bis zu dem Punkt, als er sagte: „Bitte brechen wir ab.“

Was war geschehen?

Seine „SpielpartnerInnen“ hatten doch entweder eine Haltung eingenommen, die ihm Raum gelassen und weder bedroht noch in die Enge getrieben hatte – oder/und sie hatten das Gespräch mit Verständnis-suchenden Fragen wie „Wie geht es dir?“ angefangen und Coaching-Fragen nach dem Motto „Was können wir tun, damit du deine Leistung wieder bringen kannst?“ eingesetzt.

Und dennoch fühlte sich der andere nicht abgeholt, nicht erkannt. Denn es hatte immer der normale „Führungskräfte-Modus“ eingesetzt, der da lautet: ich habe ein Ziel und muss es erreichen. Deshalb muss ich klar und zielorientiert kommunizieren, worum es geht und was ich will.

Dieser Modus wird einerseits als A-und-O der wirksamen Kommunikation gelehrt und setzt andererseits ganz besonders ein, wenn sich die Führungskraft selbst unter Druck fühlt und das quantifizierbare Ziel vor das qualitative Element der Beziehung stellt.

 

Was braucht „Charismatische Führung“?

Charismatische Führung (genauso wie „Charismatische Wirkung“ ganz generell!) braucht aber vor allem eines: die Fähigkeit, den Menschen vor dem Ziel zu sehen – wissend und fühlend (!)dass ohne diesen Menschen das Ziel nicht erreichbar ist.  Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Verbindung einer klaren mit einer wertschätzenden Kommunikation! In Stress-beladenen Situation glauben offenbar viele, dass sich diese beiden Kommunikationsformen gegenseitig ausschließen.

Wir probierten die Situation noch ein viertes Mal aus und den Beginn des Gespräches machten folgende Worte:

„Vielen Dank, dass du dir für dieses Gespräch Zeit genommen hast. Ich weiß, dass du momentan eine schwierige Zeit durchmachst, und ich möchte dir sagen, dass du für mich und dieses Team wirklich wichtig bist. Du bist für mich eine der tragenden Säulen unseres Erfolgs, andere können von dir lernen und ich selbst kann zu jeder Zeit 100%ig auf dich bauen. Seit einigen Wochen ist das aber anders und ich möchte erkennen, was ich, was wir tun können, um dich zu unterstützen, um dich wieder ganz ins Team zu holen. Denn wir brauchen dich.“

Dazu eine vollkommen zugewandte, offene und ruhige Haltung auf Augenhöhe.

Den Menschen sehen

Die Führungskraft, die diese „Ansprache“ selbst erfuhr, fühlte sich – ALS MENSCH! mit seinen aktuellen, emotionalen Bedürfnissen (die vor allem Bedürfnisse nach Schutz und Rückenstärkung waren) – ERKANNT. Das machte es dem Teilnehmer möglich, die inneren Schutzwälle herunterzufahren und offen zu werden für ein weiteres, gemeinsames Vorgehen.

Die Veränderung für die betreffende Führungskraft war so deutlich, dass ich nun auch dir für diese Woche diesen Tipp mitgeben wollte: bitte, übe dich darin, zuerst den Menschen mit seinen Bedürfnissen nach Wertschätzung und AN-ERKENNUNG zu sehen und ihm dieses Erkennen auch deutlich zu spiegeln. Du wirst sehen, wie viel produktiver deine Gespräche und deine Zusammenarbeit mit anderen wird.

Deine
Martina